Rede vom BDP-Infoladen am 17. Januar 2009 auf der Kundgebung gen den
Gaza-Krieg
Hallo,
Kriege gibt es auf der Erde seit mehreren tausend Jahren. Es waren wohl nie
einzelne Menschen, die Kriege begonnen und geführt haben. Es braucht die
Unterstützung aus der eigenen Gemeinschaft dazu. Sicherlich gibt es rhetorisch
geschickte Menschen, die sich unbemerkt "gute" Gründe für einen Krieg
zusammenlügen können und Zusammenhänge verkehrt darstellen, um eine Gesellschaft
aufzuhetzen. Aber jede und jeder von uns kann auch selbst nachdenken, und es ist
unser aller Aufgabe, über die Argumente gründlich nachzudenken, die diejenigen,
die Menschen in Kriege treiben vorbringen. Wenn wir Frieden wollen und den Krieg
verurteilen.
Wenn wir uns die Geschichte der Kriege ansehen, werden wir zweierlei finden:
Erstens sind die Gründe, die Kriegstreibende für einen Krieg nennen, selten die
Gründe, warum sie zum Krieg hetzen. Zweitens suchen sie sich nicht irgendwelche
Gründe, um ihre Gemeinschaft zum Krieg zu überreden, sondern versuchen, die
ohnehin verhassten Menschen oder Zustände mit denen Gleichzusetzen, gegen die
sich der Krieg richtet. Mit anderen Worten: Wenn früher ein Krieg gewollt wurde,
wurde gegen die "gottlosen Andersgläubigen" einer Religion oder gegen die
"Minderwertigen und bösen Ausländer" dieser oder jener Nation gehetzt, obwohl es
sie auch an vielen anderen orten in der Welt gab. Heute wird, zumindest im
Westen, z.B. von Menschenrechtsverletzungen geredet - die es auch ÜBERALL gibt,
aber die längst nicht immer zur Intervention reichen, egal, wie schlimm sie
sind.
Nun, in Israel genau wie in Palästina ergibt sich vielleicht gerade der
Sonderfall einer angeblichen Verteidigungssituation. Menschen werden nicht als
Individuen mit ihrer eigenen Meinung gesehen, sondern als Zugehörige einer
Gruppe. Tatsächlich sind sie beides: Wesen mit eigenen Gedanken, und solche, die
von ihnen abhängig sind und von anderen beeinflusst werden. Aber wie so oft
werden Menschen auf ihre Gruppenzugehörigkeit reduziert, und die Identifikation
mit der eigenen Gruppe wird gesteigert. Heute wird das Nationalismus genannt und
ist eine wunderbare Grundlage, Menschen gegeneinander aufzuhetzen und
Sündenböcke zu finden.
Hinzu kommt, dass der Besitz von Waffen, dazu verleitet, sie auch zu benutzen.
Genau wie jede Macht über Menschen dazu verleitet diese Macht zu missbrauchen.
Wenn ich eine Waffe habe, fange ich an, über ihren Gebrauch nachzudenken.
Schließlich ist es wichtig, sie rechtzeitig einzusetzen, wenn ich bedroht werde.
Bei dem ganzen Nachdenken über gefährliche Situationen werde ich natürlich
ängstlich, denn mir fallen viele Situationen ein, die gefährlich für mich sind,
und ich beginne, mich auf möglichst jede Gefahr vorzubereiten. Davon gibt es ja
genug im Leben. Irgendwann sehe ich in allem Gefahren, und wenn einfach nichts
passiert, dann bilde ich mir irgendwann etwas ein. Z.B., wie jemand einen
Angriff auf mich ganz heimlich vorbereitet. Und schlage zu, bevor er oder sie
zuschlagen kann. In einem Staat sind ganze Ministerien voll von Leuten, die sich
beruflich damit beschäftigen, welche Gefahren möglich sind und wie sie beseitigt
werden können, ganze Innenministerien, Außenministerien, Kriegsministerien,
Geheimdienste und was weiß ich wer noch stürzen sich in kollektive, stetige
Paranoia, mit der sie etwaige Bedrohungen auslöschen wollen. Der Schaden, den
die einzelnen Menschen davon haben, ist für sie dabei nebensächlich.
Doch, wie gesagt, verhält es sich mit der Macht genauso. Habt ihr je von einem
Staat gehört, der ein mächtiges Militär hat und es nicht benutzt? Ich nicht. Und
ich habe auch noch nicht davon gehört, das es irgendein Staat aus einer anderen
Motivation als purem Eigennutz tut, wenn auch möglicherweise nur aus
diplomatischen Gründen.
Wir geben nicht einer Seite die Schuld an dem erneuten Ausbrechen
ununterbrochenen Tötens, da beide Schuld sind. Der Waffenstillstand wurde
unterzeichnet, weil beide Parteien sich daraus einen strategischen Vorteil
errechnet haben, einmal die Wogen in der Weltpolitik zu glätten und im
Hintergrund schon neue Vorgehensweisen in diesem Krieg zu planen. Und auf beiden
Seiten wurde er nicht eingehalten. Wir sprechen hier nicht von einem neuen
Krieg, sondern von einem dauernden Krieg, seit vielen Jahren. Der Staat Israel
betreibt seit langem eine Politik, in der das Wort "Frieden" schon zynische
Heuchelei ist, und die terroristischen Angriffe aus den belagerten Gebieten
geben Vorwand für alles, was Israel tun möchte. Sowohl unter den
Palästinenserinnen und Palästinensern als auch unter den Israelis gibt es eine
viele Menschen, die keinen Krieg wollen. Einige Israelis haben sogar den
Militärdienst verweigert und sich dafür großem Druck ausgesetzt. Von der
Öffentlichkeit, oder auch nur von der eigenen Gemeinschaft, werden solche
Proteste kaum unterstützt, und ein Staat nimmt dies niemals zum Anlass, über
seine Auftragsmorde nachzudenken, sondern bestraft diese Menschen.
Doch es ist gleich, wer angefangen hat. Es macht niemanden wieder unversehrt, es
löst keine Not und belebt niemanden wieder, wenn wir feststellen, wer die
ursprünglich Bösen waren (als ob es so was überhaupt gäbe). Trauern Angehörige
der einen Gruppe weniger um ihre Toten als die der anderen? Wir wollen ein Ende
dieser Gewalt, ganz gleich, von wo sie kommt und wen sie trifft. Keine Regierung
hat das Recht, zurückzuschlagen, denn sie wird niemals das persönliche Leid
aller Betroffenen begreifen können. Mit Jeanette Rankins Worten: Mensch kann
einen Krieg genauso wenig gewinnen wie ein Erdbeben.
Im Infoladen waren wir daher skeptisch, an den vergangenen Demonstrationen
teilzunehmen, als wir die vielen Nationalflaggen sahen. Wir glauben nicht, dass
dauerhafter Friede in einer Welt möglich ist, die in Nationen aufgeteilt ist.
Und in diesem Fall scheint es besonders kritisch. Die seit langem vorgeschlagene
Zweistaatenlösung wird das ganze Potenzial an nationaler Gruppenidentifikation
und der damit verbundenen relativen Gleichgültigkeit - wenn nicht Hass -
gegenüber den jeweils anderen aufrecht halten. Der Streit um den Verlauf der
Grenzen, den es zweifellos gäbe, würde nur wieder zu kompromisslosen Haltungen
beitragen, die wieder zur Eskalation führten. Die kulturelle und wirtschaftliche
Ungleichheit der beiden Gruppen täte ihr Übriges. Um so wichtiger ist es,
Grenzen zwischen den Ländern offen zuhalten oder am Besten gleich ganz
abzuschaffen. Je mehr die Länder voneinander getrennt werden, desto größer
werden die Abneigungen, desto weniger werden die Menschen sich als Menschen
sehen - schließlich begegnen sie sich ja auch nicht mehr. Die Armut in Palästina
würde sich nach einem Krieg bei geschlossenen Grenzen kaum lindern, denn es
fehlt an allen Ressourcen. Der wirtschaftliche Austausch ist dort ebenso nötig
wie der kulturelle.
Wenn wir Frieden wollen, müssen wir uns von allem frei machen, was Krieg will.
Handelt dort, wo ihr den größten Einfluss habt. Entzieht den Kriegstreibenden
jede moralische Unterstützung. Wir unterstützen die friedenswilligen Israelis
die ihrer Regierung und ihren Soldaten entgegen schreien, dass Gewalt nicht das
Mittel ist, Gewalt zu beenden, sondern nur Betroffene selbst zu Mördern und
Mörderinnen macht! Eine Friedensbewegung, der sich lediglich angeschlossen
werden muss, gibt es ja bereits. Und wir widersprechen allen, die sich hinter
den Kriegsparteien oder überhaupt irgendein Militär oder ähnliches stellen. Wir
unterstützen auch auf palästinensischer Seite alle, die nicht nach Rache
schreien, sondern die dafür kämpfen, dass Menschen egal welcher Religion, egal
welcher Kultur sie entstammen friedlich und in Freiheit miteinender Leben können
und die wissen, das Selbstmordattentate nicht der Weg sind, der zu diesem
Miteinander führen wird.
Zerstört die Waffen, nicht das Leben! Schafft das Militär ab - überall! Es gibt
keinen gerechten Krieg!